Die brutale Vergangenheit von Kambodscha [KAMB]

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29.03.

Der heutige Beitrag ist nichts für schwache Nerven, aber unglaublich wichtig, um dieses Land zu verstehen und um ein gewissen Grad an Aufklärung leisten zu können. Es geht speziell um unseren Besuch des Genozidmuseums S21 und eines sogenannten Killing Fields etwas außerhalb von Phnom Penh.

Geschichtlicher Hintergrund:

1975 gelangten die sogenannten Roten Khmer in Kambodscha an die Macht. Nicht zu verwechseln mit dem Khmer Reich, das unter anderem für den Bau der Tempel (Angkor Wat) verantwortlich war. Bei den Roten Khmer handelte es sich um eine kommunistische (daher „Rote“) Guerillabewegung.

Der Hauptgrund dafür lag unter anderem im Vietnamkrieg, der sich tragischeweise auf Kambodscha ausbreitete. Bis etwa 1970 hielt sich das Land weitestgehend aus dem Krieg heraus und galt sogar als politisch stabiles Land in Südostasien. Ein paar Jahre später würde diese Beschreibung nicht im Ansatz die vorherrschenden Verhältnisse beschreiben können.

Der Vietcong (Vietnamesische Aufstandskämpfer) wurde von den Roten Khmer unterstützt und nutzte das Land für Versorgungswege und als Rückzugsort. Dies wiederum gefiel sowohl den Amerikanern, als auch der kambodschanischen Regierung nicht – so kämpften also letztendlich die Kommunisten (Vietcong und Rote Khmer) gegen die Nordvietnamesische Armee, die Streitkräfte Kambodschas und die USA.

Die Intervention des „Westen“ führte so unter anderem dazu, dass beispielsweise allein 1973 nur in Kambodscha doppelt so viele Bomben abgeworfen wurden, wie im gesamten zweiten Weltkrieg über Japan. Etwa 200.000 Menschenleben wurden ausgelöscht und Großteile der Bevölkerung zu den Roten Khmer getrieben.

Unter der Führung von Pol Pot erhielten die Roten Khmer dank des andauernden Krieges und der Bombadierung immer mehr Zuspruch im Volk, sodass sie letztendlich 1975 Phnom Penh einnahmen und das „Demokratische Kampuchea“ ausriefen. Der Einzug wurde dabei sogar noch von der lokalen Bevölkerung gefeiert.

Die Roten Khmer errichteten jedoch ein Terrorregimes, das sich zum Ziel setze, einen klassenlosen Neustart mithilfe von Agrarkommunismus (reiner Fokus des Landes auf Landwirtschaft) zu beginnen. Da Pol Pot die Korruption im Land vor seiner Herrschaft verabscheute und die Gründe dafür im Unterschied zwischen Stadt und Land sah, glaubte er, das Bauerntum stärken und alles Städtische zerstören zu müssen.

So wurde Phnom Penh innerhalb von drei Tagen komplett geräumt und die Bevölkerung auf das Land zu den Reisfeldern umgesiedelt. Zwangsarbeit war an der Tagesordnung.

Die intellektuelle Elite des Landes (das Tragen einer Brille konnte reichen, um dazu gezählt zu werden) hatte noch weitaus mehr zu fürchten als Zwangsarbeit und wurde zum Großteil ermordet. Prinzipiell konnte jeden in dieser Zeit dieses Schicksal ereilen, der sich nicht an die Regeln des Regimes hielt. Die Brutalität wird deutlich bei der Philosophie der Roten Khmer, die besagt, dass „Unkraut am besten mit der Wurzel geerntet wird“. Übersetzt: Alle Verwandten von Ermordeten, seien es auch Kinder, werden ebenfalls umgebracht, um Rache vorzubeugen. Aufgrund steigendes Misstrauens seiten Pol Pot wurden auch immer mehr Gefolgsleute verdächtigt und so „vorsichtshalber“ beseitigt.

Neben dem Massenmord quälte der Hunger das Volk, denn das Land war nicht in der Lage genug Reis und Essen zu produzieren, um jeden zu ernähren. So verloren laut Schätzungen etwa zwei Millionen Menschen während der Herrschaft der Roten Khmer (1975 bis 1979) ihr Leben. Dies entspricht einem Viertel der damaligen Bevölkerung.

Das Ende kam 1979 als die Vietnamesen nach vorhergegangen Angriffen seitens der Roten Khmer in das Land einmarschierten und der Herrschaft ein Ende bereiteten. Pol Pot und seine Anhänger flohen und kämpften noch bis in die späten 90er Jahre mithilfe von Guerilla-Aktionen gegen die Regierung, bevor die Roten Khmer zerfielen und Pol Pot 1998 starb oder umgebracht wurde (unklar bis Heute). Diese Aktionen sind übrigens auch ein Grund für die Großzahl an Landminen im Land. Angeblich wurden sie sogar dabei von „westlicher“ Seite unterstützt, da die diese natürlich wiederum die Vietnamesische Besatzungsmacht nicht gut hießen (verrückte Welt, in der wir leben..).

Unsere Erfahrungen:

Bei dem Misstrauen Pol Pots und der Verhörung von Gefangenen kommt das damalige Gefängnis S21 ins Spiel, das heute das Genozidmuseum darstellt. Hier wurden in drei Jahren etwa 12.000 bis 20.000 Menschen untergebracht und zu Geständnissen gezwungen – nur Sieben haben überlebt. Die Foltermethoden sind grausam, so viel sei gesagt (die Details lasse ich an dieser Stelle bewusst aus).

Das Museum lässt sich per Audioguide gut erkunden, wobei öfter drauf hingewiesen wird, dass die folgende Geschichte sehr brutal sein könnte und nicht für jeden geeignet. In einigen der Gefängniszellen stehen noch alte Einrichtungsgegenstände oder es ist teilweise sogar noch Blut auf dem Boden zu sehen. Das Gefängnis war übrigens eine ehemalige Schule, die aufgrund der Räumung der Stadt und aufgrund des Agrarkommunismus nicht mehr benötigt wurde.

Der Audioguide schildert die Geschichte und vor allem die Ereignisse im Gefängnis auf eine angemessene Weise. Betroffen und nachdenklich macht es uns beide und es ist definitiv nicht einfach, durch diese alten Räume zu laufen und dem Geschehenen seltsam nahe zu sein. Am Ausgang des Museums sitzen dann zudem noch die letzten beiden Überlebenden (von den sieben) hinter Tischen mit Büchern über die Ereignisse. Das Ganze wirkt dadurch nochmal echter und realer – wir sind deutlich mitgenommen.

Das Museum war jedoch nur der erste Stopp der heutigen Tour und wir fahren per Minibus weiter zu einem sogenannten Killing Field etwas außerhalb von der Stadt. Als im Gefängnis damals der Platz eng wurde, wurden die Menschen hierher gebracht, um ermordet zu werden. Es gibt erneut einen guten Audioguide, der über das Gelände und durch einige der entdecken Massengräber führt. Einige Erfahrungsberichte von Überlebenden können wir uns ebenfalls anhören. Der heftigste Ort ist an einem Baum und neben einem Massengrab, in dem Hunderte Kinderleichen gefunden wurden. Die Brutalität ist für uns nicht im Ansatz greifbar und schockiert uns schlichtweg. Um Kugeln zu sparen, haben die Roten Khmer nämlich auf günstigere Methoden gesetzt (auch hier wieder bewusst weniger Details).

Es ist schwer zu beschreiben, wie wir uns nach diesem Tag fühlen. Nachdenklich. Bedrückt. Ungläubig aufgrund der unmenschlichen Ereignisse, von denen wir gehört haben. Kambodscha ist für uns definitiv in ein anderes Licht gerückt und wir hoffen, dass dieses Trauma von der Bevölkerung überwunden werden kann und das Land wieder aufblühen kann.

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