Eintauchen in die kambodschanische Geschichte mit den HeroRATS [KAMB]

You are currently viewing Eintauchen in die kambodschanische Geschichte mit den HeroRATS [KAMB]

Der zweite Eintrag am heutigen Tag dreht sich teilweise um die Geschichte Kambodschas und teilweise auch um die Zukunft. Das eine hat deutliche Spuren im Land hinterlassen, das andere scheint ungewiss und schwer zu bewältigen.
Während der Tempel-Tour kommen wir beim Mittagessen mit unserem Fahrer ins Gespräch. Ein junger Kambodschaner, Chorng, der mit diversen Jobs versucht sich und seine Familie über Wasser zuhalten.

Die Geschichte Kambodschas der letzten Jahrzehnte war mir so ehrlich gesagt nicht bewusst und schlichtweg unfassbar grausam. Gezeichnet von diversen Kriegen (Vietnamkrieg und die Herrschaft der Rote Khmer) wurde das Land um eine Ewigkeit in der Entwicklung zurückgeworfen. Die Details zu den Umständen und ein kleiner geschichtlicher Exkurs folgt am 29.03. – nur so viel sei gesagt: das Land hat viel Leid erfahren müssen und zählt auch aufgrund jener Ereignisse zu einem der ärmsten in Asien, was gleichbedeutend mit einem der ärmsten der Welt ist.

Diese Umstände und die andauernde Armut im Land führen dazu, dass Chorng wenig Hoffnung zeigen kann. Weitere Gründe dafür umfassen die korrupte Regierung (bei dem Wort „Wahlen“ lacht er nur) und dem daher nicht vorhandenen Vertrauen in eben diese.

Mit merklich verminderter Stimme erzählt er uns im Restaurant also seine Sicht der Dinge. Die meisten Einheimischen seien unzufrieden mit der Regierung und die Entscheidungen könnten nicht nachvollzogen werden. So werden beispielsweise 75% des Regenwalds abgeholzt – ob es wirklich diese Zahl ist, sei dahin gestellt. Fest steht aber, dass natürlich tatsächlich große Fläche bereits verschwinden und damit sieht Chorng auch die Chance auf mehr Tourismus verschwinden, denn die Schönheit des Landes würde zerstört.

Auch eine Unterstützung für die arme Bevölkerung gäbe es wohl nicht. Viele arbeiten in diesem Land hauptsächlich, um zu essen und leben von Tag zu Tag. Für die erste Tour erhielt Chorng 16 Dollar von uns: 5 zum Tanken, 5 für die Mama und 5 für Nahrung (ein Dollar war Trinkgeld). An Sparen ist dort gar nicht zu denken. Wie hart es sein muss, jeden Tag zu hoffen, etwas Geld zu verdienen um Essen für die Familie und sich kaufen zu können, kann ich mir nicht wirklich vorstellen. Soweit sind unsere Gesellschaften doch voneinander entfernt, obwohl wir am selben Tisch sitzen und zu Mittag essen (welches natürlich wir bezahlen als Danke und heutiges Trinkgeld).

Wie wir helfen können, ist die Frage, die bleibt – eine äußerst schwierige zudem. Wir versuchen ihm Mut zu machen, denn Kambodscha scheint als Reiseland zu boomen. Wunderschöne Strände (Koh Rong), tolle Kultur (Angkor Wat), unfassbare Geschichte (Rote Khmer) und wachsende Städte sind nur einige Argumente, die zwangsläufig zu mehr Touristen führen werden. So richtig glauben will er uns (noch!) nicht.

Als ich ihm zudem versuche zu erklären, warum die Menschen auch in Deutschland trotz der Abwesenheit der meisten der genannten Faktoren unglücklich seien, scheiterte ich zudem kläglich.. Verständlich ist es wohl, da er von uns auch erfahren hat, was die Menschen in Deutschland verdienen – ein Kambodschaner müsste für ein deutsches Monatsgehalt nämlich mehrere Jahre arbeiten.

Chorng ist prinzipiell ein sehr aufgeschlossener, smarter und auch zu Witzen aufgelegter Kerl, um das ganze positiv ausklingen zu lassen. Am heutige Nachmittag lernen wir jedoch eine andere Seite kennen, die uns tiefe Einblicke in die wirkliche Stimmung eines Einheimischen gibt. Trotz der gesamten Situation, in der sich das Land befindet, können wir gemeinsam lachen und uns bleibt ein überaus freundlicher Eindruck im Kopf. Die Leute sind zwar unzufrieden mit der Regierung und ihrer Situation, aber dennoch scheinen sie nicht wirklich unglücklich zu sein – wir hoffen, dass dies nicht nur ein oberflächlicher Eindruck ist.

Auch Lichtblicke wie das folgende Projekt geben weitere Hoffnung und die erfahren wir am späten Nachmittag hautnah anhand der HeroRATS.

Hintergrund: Wie vielleicht bekannt ist, ist Kambodscha auch in der heutigen Zeit noch übersät von Landminen und nicht explodierten Sprengsätzen aus den Kriegen. Die Landminen wurden dabei bewusst so gebaut, dass sie die Opfer nicht töten, sondern nur schwer verletzten. Der barbarische Grund dafür ist, dass die feindliche Armee mehr aufgehalten wird, wenn sie Verwundete versorgen muss, als wenn sie „nur“ Männer verliert. Die Verwundeten müssen zudem zuhause versorgt und gepflegt werden, was dann teilweise den Kindern zufällt, die keine Ausbildung mehr wahrnehmen können – ein weiterer Grund für die Armut in diesem Land.

200 Felder soll es noch geben im gesamten Land und aktuell gibt es angeblich 50 bis 100 Opfer pro Jahr – also ein bis zwei pro Woche! In den letzten 20 Jahren sind um die 64.000 Fälle dokumentiert, wovon 44.000 zwar Überlebten, aber meistens Gliedmaßen verloren.

Und genau hier kommen die HeroRATS ins Spiel! Es handelt sich um afrikanische riesen Ratten, die auf das Erkennen von Sprengstoff trainiert sind. Das Training und der stark ausgebildete Geruchssinn ermöglicht es den Tieren, ein Fußballfeld in 20 Minuten zu untersuchen – für dasselbe Feld brauchen Menschen ein bis vier Tage. Menschen verwenden nämlich Metalldetektoren und müssen daher jedes Metall-Teilchen untersuchen, während die Ratten lediglich bei Sprengstoff reagieren.

HeroRAT bei der Vorführung ihres Könnens

Hunde können übrigens nicht zum Einsatz kommen, da sie zu schwer für die Minen sind und diese auslösen würden. Die Ratten sind vergleichsweise zwar groß, aber dennoch leicht genug für diese ansonsten gefährliche Arbeit.
Die Fakten sprechen für diese Methode: in 20 Jahren wurde von den Ratten kein Fehler gemacht und die untersuchten Felder waren tatsächlich komplett minenfrei – dies bedeutet gefahrloser Ackerbau und gefahrloses Spielen von Kindern auf den Feldern. Die sind im Übrigen nicht so weit weg, wie man denkt, kürzlich wurde ein Feld 1,5 Stunden nördlich von hier geräumt – 50 Minen wurden gefunden und entschärft.  

Kurzum: ein tolles Projekt und bei den Ratten handelt es sich tatsächlich um Helden! Eine letzte Anmerkung von Katrin: Die Ratten sind zudem unglaublich süß.

Weitere Informationen gibt es unter:  https://www.apopo.org/en/what-we-do/detecting-landmines-and-explosives/where-we-work/cambodia

Schreibe einen Kommentar